Reich beschenkt
Sie kennen sicher die Freude Ihres Bellos, wenn Sie ihm ein neues Spielzeug, einen Kauknochen oder etwas anderes neues geben, das eindeutig für ihn ist. Da gibt's die zurückhaltenden sanften Wedler, die gemächlich auf den besten Platz trotten, um sich dem Geschenk zu widmen. Und dann gibt's da die frenetischen Peitschenschwinger, bei denen vor lauter Freude der ganze Hintern mitwackelt, die vor überbordendem Glück gazellenartig durch die Gegend springen, stolz herumtänzeln, das Geschenk durch die Luft wirbeln, wieder auffangen oder jammernd durch die Gegend laufen und nicht wissen wohin mit sich vor lauter Freude. Semmi? Ja, richtig geraten. Der ist so ein Powackler. Das Konzept des Schenkens ist gar nicht so leicht zu verstehen, kognitiv sind auch wir Menschen erst irgendwann im Kleinkindalter dazu in der Lage. Es beinhaltet "meins" und "deins" zu verstehen und das wiederum setzt ein Selbstverständnis voraus, also eine Vorstellung von sich selbst. Gar nicht so simpel also. Ein ausgerufenes "Ist das für mich?!" verlangt also eine komplexe kognitive Leistung.
Semmi musste erst lernen, dass noch andere Dinge außer gebrauchten Papiertaschentüchern seines sein konnte. Es dauerte etwa 8 Wochen bis er verstanden hatte, dass die ihm immer wieder angebotenen Sachen seine waren. Seitdem präsentiert er uns stolz seine Sachen, holt sie, wenn er bei der Begrüßung ein beruhigendes Kauutensil braucht. Wir loben ihn immer oder schenken ihm zumindest kurz unsere Aufmerksamkeit und bewundern sein schönes Spielzeug. (Da lässt sich nebenbei übrigens wunderbar das Hergeben bzw. Impulskontrolle üben.)
Aber ist die Freude über das Spielzeug wirklich ein "Ist das für mich?!" oder nicht eher ein "Juchu, ein Kauknochen!" Ich denke, es ist beides. Haben die Hunde in meinem Leben das Mein-Dein-Konzept verstanden? Ja, alle. Ausnahmslos. Das ist auch sinnvoll, vielleicht sogar Voraussetzung für soziallebende Tiere. Und das Geschenk-Konzept? Ich denke schon. Und bei Charlie weiß ich es. Warum? Weil ich von Charlie beschenkt wurde.
Und zwar eindeutig, es war kein stolzes Präsentieren eines Schatzes, sondern schlicht ein Geschenk. Ein Rindermarkknochen, um genau zu sein. Ich saß in der Küche und streichelte Charlie. Auf einmal ging er ins Wohnzimmer, holte seinen Rindermarkknochen und zeigte - wie ich dachte - ihn mir. Da er ziemlich angesabbert war, wollte ich ihn nicht wie sonst in die Hand nehmen, um ihn zu bewundern, nur damit Charlie ihn alsbald wiederhaben wollte, ich mir aber die Hände waschen musste. Aber Charlie ließ sich nicht abwimmeln und legte mir den Knochen in den Schoß und betrachtete mich gespannt. Ich nahm den Knochen also doch in die Hand, bewunderte ihn und wollte ihn dann Charlie geben, wie sonst eben auch. Aber Charlie nahm den Knochen nicht. Trotz Aufforderung und "Nimm's"-Kommando (und das will was heißen bei diesem Musterschüler von Hund). Er betrachtete mich nur, ich bewunderte also weiter den Knochen, bot ihn zwischendurch Charlie an, der ihn nicht nahm, aber nach einer kurzen Zeit zufrieden ins Wohnzimmer ging. Ich erwartete die nächste Schatzpräsentation, aber die blieb aus. Ich war verwirrt. War ich gerade beschenkt worden? Hatte mir Charlie einfach so seinen Schatz gebracht und viel wichtiger ihn mir überlassen? Ohne ihn zurückhaben zu wollen? Ja, ich wurde von meinem Hund beschenkt!
Bis dato warte ich auf mein nächstes Geschenk eines Hundes. Semmi ist (noch) nicht soweit. Er ist (noch) viel zu aufgeregt und freudig über SEINE Spielsachen.
Sind Sie auch mal von Ihrem Hund beschenkt worden? Die Geschichte würde ich gerne hören. Schreiben Sie sie mir gerne per Mail.